Ein besonderer Platz für Musiknoten

Martin Molfenter stand wie jeder Schreinerazubi vor der Frage: Was baue ich als Gesellenstück?

Für ihn als Tubaspieler war gleich klar, dass sein Möbel mit dieser Leidenschaft in Bezug stehen muss und zur Aufbewahrung von Musiknoten Nutzung finden soll. Sein Gesellenstück stellt er nach der Fertigstellung ehrenwerterweise erst einmal in der Probenraum seines Musikvereins. Der Musikverein Renningen kann sich also auf einen neues Möbelstück für die Aufbewahrung der Noten seiner Musiker freuen, allerdings nur als Leihgabe.

Der Noch-Azubi steht kurz vor dem Abschluss seiner Berufsausbildung zum Schreiner bei der Schreinerei Mörk in Leonberg, Mitglied in der Schreinerinnung Böblingen. Bei den Schreinern ist seit jeher das Gesellenstück ein Teil der Prüfung. Gebaut wird nach eigenen Entwürfen meist ein Möbelstück. Der zeitliche Rahmen beträgt 80 Stunden und es sind aus formalen Gründen nur Möbel möglich, die einen Quadratmeter Ansichtsfläche nicht übersteigen. Ansonsten ist jeder Prüfling aber frei in der Gestaltung.

Martin Molfenter hat den Quadratmeter und die Gestaltungsfreiheit voll ausgenutzt. Sein Sideboard steht auf einem Fußgestell aus Ahornholz. Die Bauteile des Korpus werden mit Birnbaumfurnier mit feinen Ästchen belegt. Das Möbel hat rechts und links zwei Türen, die in Wurzelfurnier aus Nussbaum furniert sind. In der Mitte sind drei Schubkästen, für die er schlichtes Nussbaumfurnier ausgewählt hat. Die Schubkästen steigen von oben nach unten in der Höhe an, die Aufteilung der Schubkastenhöhen erfolgt nach dem goldenen Schnitt. Ein besonderer Clou ist, dass das Furnier für die Türen nicht aus einem Furnierblatt besteht, sondern aus vier Blättern. Diese werden so gekippt, gedreht und gespiegelt angeordnet, dass sich ein in Fachkreisen Kreuzfuge genanntes Bild ergibt.
An dieser Stelle zeigt sich die besondere Stärke des Schreinerhandwerks, nämlich die kundenindividuelle Anfertigung von Holzprodukten wie Möbeln, Wand- und Deckenverkleidungen, Haustüren, etc. Der Kunde kommt mit seinen Abmessungen, Nutzungsvorstellungen und Gestaltungswünschen, der Schreiner realisiert mit seinem Fachwissen und Können. Der Abnehmer von Martin Molfenters Gesellenstücks ist wie bereits erwähnt vorerst der Musikverein Renningen.
Der angehende Schreinergeselle stimmt sehr gekonnt die Maße von Fächern und Schubkästen auf die Aufbewahrungsvarianten von Noten in Ordnern und Notentaschen ab.

Momentan ist Martin Molfenter dabei, die einzelnen Teile für das Furnieren vorzubereiten. Eine echte Herausforderung ist dabei das Zusammensetzen des Wurzelfurniers. Dieses ist nicht glatt und eben, sondern sehr wellig. Nun kennt der findige Schreiner zwar Methoden, um das Furnier glatt zu bügeln, es ist jedoch ziemlich störrisch und bleibt nicht lange glatt. Es gilt also, beim Zusammensetzen des Furniers sehr schnell und dennoch sorgfältig zu sein, schließlich will man keine offenen Fugen im Furnierbild haben.

Die Verbindung von Klassik und Moderne ist für Martin Molfenter ein grundlegendes Prinzip bei seinem Möbel. Das zeigt sich insbesondere am obersten Schubkasten. Dessen Gehäuse wird mit einer Schwalbenschwanzverbindung nach handwerklicher Tradition hergestellt und gleitet von Holzleisten geführt sanft und leichtgängig aus dem Korpus des Möbels. Eine klassische Führung nennt das der Schreiner. Als moderner Gegensatz dazu kommt ein Möbelbeschlag in Einsatz, der den Schubkasten aus dem Korpus herausschubst, wenn man auf den Schubkasten drückt. Push-to-open ist dafür der Fachbegriff. So sind dann Schubkästen möglich, die wie bei Martin Molfenters Gesellenstück ohne Griffe auskommen.

Der theoretische Teil der Ausbildung zum Schreiner findet an der Gottlieb-Daimler-Schule 2 in Sindelfingen statt und ist bereits abgeschlossen. Den dort angebotenen Zusatzunterricht für die Ausbildung zur CAD-/CNC-Fachkraft hat Martin Molfenter gerne besucht und das entsprechende Zertifikat erworben, auch wenn sein Ausbildungsbetrieb momentan keine computergesteuerte CNC-Holzbearbeitungsmaschine besitzt. Über die Anschaffung einer CNC-gesteuerte Oberfräse denkt Bernhard Mörk, der Chef und Ausbilder von Martin Molfenter, derzeit aber nach.

Nach dem Abschluss seiner Ausbildung bleibt Martin Molfenter der Schreinerei Mörk erhalten. Ganz bodenständig will er einige Jahre als Geselle arbeiten und sich währenddessen Gedanken darüber machen, ob er dann vielleicht eine Meisterschule besucht. Jetzt gilt es sich aber erst einmal auf den Bau seines Gesellenstücks zu konzentrieren. Das geht Martin Molfenter mit dem notwendigen Respekt, aber auch mit einer guten Portion Gelassenheit an.

Noch wohnt der Noch-Azubi übrigens zu Hause. Mit einem Auszug von zu Hause wäre dann verbunden, dass er den Musikverein Renningen seiner Leihgabe beraubt und das Sideboard in seiner ersten eigenen Wohnung aufstellt. Dann muss ich der Musikverein nach einer neuen Lagermöglichkeit für die vielen Noten umschauen.

Im Rahmen einer öffentlichen Ausstellung werden neben dem Sideboard von Martin Molfenter die Gesellenstücke seiner Mitstreiter zu sehen sein. Die Ausstellung ist vom 17. – 21. Juli bei der Volksbank Böblingen, Friedrich-List-Platz 1 in Böblingen zu besichtigten.
Öffnungszeiten: Mo – Fr: 09:30 – 12:30 Uhr, Mo/Di/Do: 14:00 – 17:00 Uhr, Fr: 14:00 – 16:00 Uhr